[FSFE PR][DE] Wie Microsoft dazu gebracht werden kann, die Europäischen Autoritäten zu respektieren - FSFE empfiehlt permanente Überwachung

Free Software Foundation Europe (FSFE) press at fsfeurope.org
Don Mar 31 15:24:00 CEST 2005


Die Free Software Foundation Europe (FSFE) und das Samba Team haben
der Europäischen Kommission die Bedingungen vorgelegt, mit denen
Microsoft dazu gebracht werden kann, die Auflagen des Europäischen
Gerichtshofs Erster Instanz vom Dezember 2004 zu erfüllen.

"Um kompatible Software zu schreiben verwenden Entwickler sogenannte
'Interface Definition Language' (IDL) Dokumente. Diese hält Microsoft
derzeit geheim damit niemand sonst interoperable Software schreiben
kann. Um die Auflagen zu erfüllen, müsste Microsoft sie zusammen mit
einer Beschreibung der verwendeten Verschlüsselungsmethoden zur
Verfügung stellen, wobei die Lizenz die Umsetzung in Freier Software
erlauben muss. Das ist der einzige Weg, dem Samba-Team eine reale
Möglichkeit zu geben, mit Microsoft zu interoperieren und zu
konkurrieren. ", erklärt Georg Greve, President der FSFE. Und weiter:
"Angesichts der jüngsten Erfahrungen empfehlen wir der Kommission
außerdem, einen strikten Termin zu setzen, zu dem diese
Spezifikationen geliefert werden müssen."

Im Dezember letzen Jahres entschied der Europäische Gerichtshof, daß
Microsoft nicht länger Zeit gegeben wird, um sein Monopol durch das
Verweigern von Schnittstelleninformationen gegenüber Wettbewerbern
auszudehnen. Stattdessen sollten die Kartellentscheidungen der
Kommission sofort in Kraft gesetzt werden.

"Microsoft kann sich nicht länger hinter fadenscheinigen Aussagen wie
'wir werden kooperieren' verstecken, bringt es FSFE Anwalt Carlo Piana
auf den Punkt. Jetzt wollen wir sehen, wie groß ihre
Kooperationsbereitschaft tatsächlich ist. Unser Vorschlag ist sehr
ausgewogen und verlangt nicht mehr als das, was das Samba Team durch
technisches Analysieren erreichen kann, aber er verlangt eine zügige
Veröffentlichung der Protokolle. Wir haben die Kommission gebeten,
unseren Vorschlag einem vertrauenswürdigen, unabhängigen Experten zur
Prüfung zu geben."

In dem jüngsten Vorschlag der FSFE erklärt Samba-Entwickler Jeremy
Allison: "IDL Definitionen sind bloß dazu da, um eine Schnittstelle zu
beschreiben - sie beschreiben ein Protokoll." Um kompatible Software
schreiben zu können braucht der Entwickler Zugang zu diesen
Spezifikationen. "Es ist ist so ähnlich wie mit der Grammatik und der
Rechtschreibung - Ohne diese Regeln kann man in keiner Sprache
schreiben", schlußfolgert Allison.

In Bezug auf das Thema Verschlüsselung sagt Allison: "Die
Verschlüsselung des Netzwerkverkehrs ist eine übliche Praxis und keine
Erfindung von Microsoft. Aber für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der
Systeme ist es zwingend notwendig, zu wissen, welche Art von
Verschlüsselung verwendet wurde, unter welchen Umständen und mit
welcher Art von Schlüsseln."

Was eine Vergütung angeht, auf die Microsoft nach eigener Meinung
Anspruch hat, wiegelt Carlo Piana ab: "Die geforderten Informationen
sind nicht geheim, weil sie wertvoll wären, sondern wertvoll, weil sie
geheim sind. Außerdem sind wir davon überzeugt, daß Microsoft bereits
weit über Gebühr bezahlt wurde. Der außerordentlich hohe operative
Gewinn belegt das. Gewinne in solcher Höhe sind nur durch technische
Sperren und die enge Verbindung von Clients und Servern möglich".

Die einzig angemessene Vergütung, die die Absichten der Europäischen
Kommission nicht völlig zunichte machen würde, bestünde in einer
Einmalzahlung, um eine Kopie der Protokolle zu erhalten. Sinnvoll wäre
es in diesem Zusammenhang, die Gebühren heranzuziehen, die ein
Entwickler zu entrichten hat, wenn er Zugang zum Microsoft Developers
Network (MSDN) haben will, wofür er im Gegenzug ähnliche Unterlagen
erhält.

Vergleichbar zu den MSDN Bedingungen wäre es nicht ungerechtfertigt,
Entwickler auch mit Kosten für aktualisierte und überarbeitete
Fassungen der Protokollinformationen zu belasten. Diese müssten jedoch
vollständig und zeitnah zur Verfügung stehen, wie FSFE und das
Samba-Team betonen.

"Die Freie Software Welt hat wieder einmal bewiesen, wie sie im Stande
ist, hochwertige Arbeit auch unter widrigen Umständen zu leisten",
fasst Georg Greve zusammen. "Mit den Eingaben der FSFE und des
Samba-Teams hält die EU Kommission in den Händen, was notwendig ist,
um ihrer Entscheidung reale Konsequenzen folgen zu lassen. Wenn man
berücksichtigt wie sehr Microsoft um 'Kooperation' gerungen hat,
empfehlen wir jedoch, Microsofts Verhalten permanent zu beobachten."

Hintergrund: Die FSFE war nicht nur in der ursprünglichen
Untersuchung, sondern auch in dem Verfahren vor dem EuGH als
Drittpartei beteiligt. Ursprünglich hat die FSFE nur die Interessen
des Samba-Teams vertreten, heute ist sie jedoch berechtigt, alle
Fragen Freier Software vor Gericht anzuführen. Das Samba-Team und die
FSFE haben während des gesamten Prozesses als ein Team gearbeitet und
Jeremy Allison, ein Vertreter der Samba-Teams, hat in einer Anhörung
des Europäischen Gerichtshofs im Namen der FSFE gesprochen.

Über die Free Software Foundation Europe

   Die Free Software Foundation Europe (FSFE) ist eine gemeinnützige
   regierungsunabhängige Organisation, die sich allen Aspekten der
   Freien Software in Europa widmet.  Zugang zu Software
   entscheidet, wer wie an der digitalen Gesellschaft teilnehmen
   kann. Daher erlauben die Freiheiten, Software zu verwenden, zu
   kopieren, zu ändern und weiterzuverteilen, wie sie in der
   Definition der Freien Software beschrieben werden, gleiche
   Chancen im Informationszeitalter. Diese Problematik ins
   öffentliche Bewusstsein zu rücken und durch Unterstützung der
   Entwicklung Freier Software die Freiheit der Menschen zu
   gewährleisten, sind die Kernanliegen der FSFE, welche im Jahr
   2001 als Schwesterorganisation der amerikanischen FSF gegründet
   wurde.

   Weitere Informationen: http://www.germany.fsfeurope.org