Hallo,

anbei ein Leserbrief, den ich an das deutsche Philosophie Magazin "Hohe Luft" sandte.

lg gregor

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Datum: Sun, 14 Sep 2014 09:51:48 +0200 Von: Gregor Horvath gh@gregor-horvath.com An: redaktion@hoheluft-magazin.de Betreff: Leserbrief zu "Zombies des Lasters" Hohe Luft 5/2014

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie schreiben: "Wenn sich die Algorithmen von den Menschen abkoppeln, dann laufen wir Gefahr, dass der Kapitalismus ohne uns weiterläuft".

Die Gefahr liegt woanders. Da Algorithmen im sokratischen Sinn nicht wirklich verstehen können und daher nicht kreativ sind, liegt deren Entwicklung immer in Menschenhand. [1] Die Algorithmen sind also immer an Menschen gekoppelt.

Allerdings haben sie sich bereits längst von der überwältigenden Mehrheit der Menschen abgekoppelt. Denn nur eine kleine Elite darf proprietäre Algorithmen verstehen, verbessern, verbreiten und verändern. Das Urheberrecht und die spezielle Eigenschaft von Software (Quellcode vs. Binärcode, Software as a Service SAAS) die Funktion der Maschine an sich verstecken zu können, ermöglicht einer kleinen kapitalistisch und/oder politisch motivierten Minderheit die exklusive Kontrolle über die Algorithmen, die unser Leben und unsere Gesellschaften steuern.

Niemand kann verbieten oder verhindern ein physisches Objekt wie z.B einen Motor zu zerlegen, zu analysieren, zu verstehen und mittels Kombination mit anderem eine neue, bessere Maschine zu erzeugen. Bei proprietärer Software ist all das verboten bzw. technisch verhindert.

Aufgrund dieses grundlegenden Problems von proprietärer Software wurde vor mehr als 30 Jahren freie Software [2] (z.B. Firefox, Linux etc.) und Lizenzen (z.B GPL) erfunden, die dem Nutzer die Freiheiten Verstehen, Verwenden, Verbreiten und Verändern garantiert. Nur mit diesen Freiheiten kann die Kontrolle über die Software bzw. Daten bei den Benutzern bzw. der Allgemeinheit bleiben.

Entstanden ist diese Alternative aus der Hackerkultur [3], die wiederum ihre Wurzeln in den Anfängen der akademischen Computerwissenschaften hat. Teilen von Wissen ist in diesen Gemeinschaften eine ethische Norm.

Die überwiegende Mehrheit der "einfachen Benutzer" hingegen nutzt derzeit meist proprietäre Software, obwohl ausgereifte, benutzerfreundliche freie Alternativen existieren. Aus diesem Grund ist der digitalen Gesellschaft daher derzeit unmöglich, zu verstehen, wie sie von einer Minderheit gesteuert wird.

Möchten wir die Macht über die Steuerung unserer digitalen Lebensabläufe von den Zombies wieder zurückgewinnen, müssen wir dringend als Gesellschaft über die Ethik der Softwarenutzung und Erzeugung verstärkt nachdenken. Die Philosophie könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten. [4]

Gregor Horvath, Wien

[1] Joseph Weizenbaum, "Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft", Suhrkamp, ISBN 3-518-27874-6 [2] https://www.gnu.org/philosophy/free-software-even-more-important [3] https://www.gnu.org/gnu/thegnuproject.html [4] https://www.gnu.org/philosophy/fsfs/rms-essays.pdf