-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE----- Hash: SHA1
Sehr geehrte Linux Enterprise-Redaktion,
auch wenn mir bekannt ist, dass sich Ihre Publikation in erster Linie der kommerziellen Nutzung von so genannter "Open Source"-Software widmet, möchte ich Sie trotzdem auf einige Fehler hinweisen, die Ihnen im Zusammenhang mit diesem Begriff, vor allem aber mit dem der Freien Software unterlaufen sind.
Wie Sie sicher wissen, ist der Begriff der Freien Software geprägt von der Free Software Foundation (FSF). Eine Software, die unter ihn fallen soll, muss insgesamt vier Freiheiten gewährleisten, die unter
The Free Software Definition http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html
nachzulesen sind. Wesentlich für das Selbstverständnis der FSF und der Bewegung für Freie Software ist außerdem, dass sie nicht den, primär zu Marketing-Zwecken 1998 entwickelten, Begriff "Open Source" verwenden. Eine Begründung hierzu findet sich z.B. unter
Why ``Free Software'' is better than ``Open Source'' http://www.gnu.org/philosophy/free-software-for-freedom.html
aber auch jede Äußerung von Richard M. Stallman lässt keine Zweifel an seiner Haltung zu "Open Source".
Nach dieser Vorrede nun drei Punkte im Heft 10/2001, die mir aufgefallen sind und die so nicht unkommentiert stehen bleiben können.
1. Im Artikel "Wenig spektakulär" auf Seite 6 berichten Sie über die O'Reilly Open Source Convention. Auf dieser Veranstaltung ist auch die FSF mit einem Vorschlag an Craig Mundie von Microsoft heran getreten, den Sie folgendermaßen schildern:
"... Damit wollen die Open Source Puristen rund um Richard Stallman dem Microsoft-Strategen die Philosophie hinter Open Source näher bringen."
Dies ist falsch. Die Vertreter der Bewegung für Freie Software sind weder Puristen des "Open Source" noch wollen sie die "dahinter" liegende Philosophie vermitteln. Richtig ist, dass die Bewegung für Freie Software nichts mit der "Open Source"-Bewegung zu tun hat, vielmehr eine eigene, eben die für Freie Software, ist. Die durch sie vermittelbare Philosophie kann daher nur die der Freien Software sein, wie sie etwa unter
Philosophy of the GNU Project http://www.gnu.org/philosophy/philosophy.html
nachgelesen werden kann.
Weiterhin kommentieren Sie im selben Absatz:
"Es ist kein Geheimnis, dass diese Puristen ... Open Source Companies für halbherzig halten: Schließlich ist die Maxime eins jeden Unternehmens, möglichst viel Geld zu verdienen, und dies gelingt auch einigen Open Source Unternehmen, die dann ebenfalls ihre Macht spielen lassen."
In diesen Sätzen vermitteln Sie den Eindruck, die Bewegung für Freie Software hätte etwas gegen "viel Geld zu verdienen". Das ist falsch. Richtig ist, dass es ihr um die Freiheit von Software geht. Das Gegenteil von Freiheit für Software und damit deren Benutzer ist aber nicht, wie fälschlich auch von Ihnen immer wieder behauptet wird, Software, mit der Geld verdient werden kann, sog. kommerzielle Software. Ebenso falsch wäre es, zu behaupten, kostenlose Software wäre automatisch Freie Software. Das Gegenteil von Freier Software ist vielmehr proprietäre Software, also solche, die dem Benutzer nicht die genannten vier Freiheiten einräumt. Das Gegensatzpaar "kostenlos" und "kostenpflichtig" oder "kommerziell" hat mit der Einschätzung, ob Software Frei oder proprietär ist, nichts zu tun. Sehr wohl kann proprietäre Software kostenlos sein, ebenso kann aber auch Freie Software kostenpflichtig und kommerziell sein. Näheres findet sich in einem Text von Richard M. Stallman unter
Selling Free Software http://www.gnu.org/philosophy/selling.html
2. Im Artikel "Rundum sorglos" auf Seite 25 schreiben Sie, die Software VShop der Intradat AG stünde "als Open Source Variante zur Verfügung". Dies mag richtig sein, zeigt aber nur wieder einmal, dass "Open Source" und die damit assoziierte Möglichkeit zum "Hineinblicken" in den Quellcode allein eben nicht ausreicht, Software zu Freier Software zu machen.
Die "inraDat Public License" (http://www.vshop.org/download/ipl_1.0.0.txt), ist nämlich keine Lizenz für Freie Software, auch wenn sie aus Sicht der "Open Source"-Vertreter vielleicht den "Open Source"-Richtlinien genügen mag.
3. Im Artikel "Gegen das Vergessen" auf den Seiten 72 bis 74 stellen Sie die Software BitKeeper vor. Sie behaupten, die Lizenz dieser Software, die sog. "BitKeeper License" (http://www.bitkeeper.com/4.4.2.htm)
"... orientiert sich zwar weitestgehend an der GPL, da es sich jedoch bei BitKeeper um eine kommerzielle Software handelt, sind einige Besonderheiten zu beachten."
Zunächst ist daruf hinzuweisen, dass Freie Software und deren kommerzielle Verwendung und Entwicklung in keinem Gegensatz stehen. Wie oben bereits dargestellt, kann Freie Software, gerade auch solche unter der GNU GPL stehende, sehr wohl kommerziell sein.
Tatsächlich ist aber auch die BKL keine Lizenz für Freie Software, widerspricht daher auch bei noch so sehr behaupteter Nähe den Freiheiten, die durch die GNU GPL für Freie Software verwirklicht werden sollen. So fordert etwa die BKL, dass jede abgeleitete Arbeit eine sog. "Conforming Software" ist, also Software, die bestimmten durch den Hersteller BitMover festzulegenden technischen Bedingungen entspricht.
Es würde mich freuen, wenn Sie in Ihrer weiteren redaktionellen Tätigkeit meine Hinweise berücksichtigen und insbesondere die korrekten Begriffe verwenden würden: nennen Sie bitte "Open Source" was "Open Source"-Software, Frei was Freie Software, proprietär was proprietär und kommerziell was kommerziell ist. Auch im Bereich der Software ist Klarheit der verwendeten Begriff sinnvoll.
Mit freundlichen Grüßen Lutz Horn