Lieber Michael,
du hast in meiner wahrnehmung die problematik sehr gut gefasst. Meinen dank dafuer.
Lieber Uwe,
wenn du schreibst: "Sorry, aber das ist mir zu platt.", dann kann ich das natuerlich auch auf deinen hochverehrten Adorno anwenden und damit auch fuer deine interpretation, weil du dich darauf beziehst.
Es hilft nichts. Wir muessen schon selbst eine klarheit finden.
Nehmen wir die Software. Eine ausfuehrungsanweisung fuer prozessoren, die eingebettet sind in ein system verschiedener einheiten mit unterschiedlichen funktionen, nach innen und nach aussen gerichtet. Wir bedienen uns dieser einheiten, um daten zu generieren oder zu verarbeiten, die dann fuer uns anwendbare funktionalitaeten repraesentieren. Wir arbeiten ja nicht mit den daten selbst, sondern immer mit ihrer interpretierbaren repraesentation.
Wir befinden uns in einem informellen raum, der keine materielle instanz kennt. Das aendert sich erst, wenn ueber unsere interpretation materielle prozesse, von polizei/militaer-aktion bis ventil, entstehen.
Software selbst kommt aus einem freien raum. Sie entstand in oeffentlichen einrichtungen, universitaeten und deren forschungs und experimentellen umgebungen, wo die datenverarbeitung mit datenverarbeitenden systemen ihre formen annahmen. Die datenverarbeitung selbst ist ja uralt.
Die methoden der datenverarbeitung, die algorithmen, sind ja auch sehr alt. Es geht also bei software nur um eine andere instanziierung in einem materiellen system.
Wenn wir dem folgen koennen und wollen, dann kann Software niemals etwas neues sein. Schon von daher ist eine private aneignung in form von Patenten (z.b. CR/LF von IBM als einfaches beispiel) oder Lizenzen, dem verteilungsrecht der nutzung, ausgeschlossen. Und dies wird erweitert wenn wir erkennen, dass die inneren methoden von vielen anderen, zeitgleich oder vorher, erarbeitet und angewandt wurden.
Ich nehme an, weil du das zumindest ahnst, weichst du auf eine "platte Form zur Diskussion um Freiheit" aus. Das ist ja immer die einfachste loesung. In der begruendung fuer geldsysteme ("fiat" geld, "es werde" geld aus dem lateinischen) findet ja das gleiche statt. Oder in allen diskussionen um repraesentative politische systeme, staat und gewaltapparate. Alles dinge, die fuer eine person, ausgestattet mit verstand, um ihn anzuwenden, voellig irrational sind.
Du willst ueber konkrete restriktionen bei nicht-freier software reden? Dann tue es. Wenn eine software nicht frei ist, koennen wir sie nicht studieren. Nicht ueberpruefen. Nicht ihre maengel aufloesen. Nicht ihre funktionalitaet unseren anforderungen anpassen. Nicht selbstbestimmt anwenden. Was gibt es wichtigere restriktionen als jene?
Fuer uns kann es ja noch andere gruende geben. Die massive dezentralisierung oeffnet das grosse potential, das sich in kleinen und lokalen einheiten optimal entfalten kann. Zentralisierte strukturen zerstoeren und/oder blockieren dieses potential.
Diese sozialen prozesse im umgang mit datenverarbeitenden systeme setzen notwendig die freie hardware voraus oder machen sie notwendig. Wenn wir damit beginnen, oder mehr und mehr tiefer eintauchen im umgang mit datenverarbeitenden systemen, dann verstehen wir immer besser, welcher unsinn dort implementiert wird. Und sehr schnell erkennen wir, dass dies zumeist von aussen aufgezwungen wird. Und wir werden fragen, wer hat denn nun solche interessen und kann sie erzwingen?
Michael hat voellig recht wenn er schreibt: "Daher mein Appell einmal die Gesellschaftsvisionen offenzulegen ...".
Weil da liegen die intentionen und motivationen der einzelnen akteure. Die "platte Propaganda" dient nur der verschleierung.
mit lieben gruessen, willi Asuncion, Paraguay
On 31/3/2017 10:23, Dr. Michael Stehmann wrote:
Hallo,
über Freiheit nachzudenken und zu diskutieren, ist in Bezug auf ein soziales Wesen, wie den Menschen, gar nicht so einfach. Hinzukommt noch, dass wir derzeit doch recht stark auf die Gesellschaft anderer Menschen in verschiedener Hinsicht angewiesen sind.
Daher mein Appell einmal die Gesellschaftsvisionen offenzulegen, auf deren Basis man hier argumentiert, beispielsweise pro und contra Eigentum, Urheber- oder Patentrecht etc..
Freiheit hat IMO auch zwei Richtungen, was zu beachten ist, damit man sich nicht missversteht.
Freiheit von ...
beispielsweise Hunger, Not, Willkürherrschaft, Ausbeutung etc.
und
Freiheit zu ...
beispielsweise zum Studium des Quellcodes, zur Weitergabe von Software, zur beliebigen Nutzung derselben etc.
Insoweit hat IMO Freiheit sowohl "negative" als auch "positive" Aspekte.
Ein Beispiel findet sich im BGB (§ 903):
"Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen."
Da findet sich zunächst der "positive" Aspekt ("nach Belieben verfahren") und sodann der "negative" ("andere von jeder Einwirkung ausschließen" - Abwehr von Eingriffen Dritter).
Gruß Michael
-------- Forwarded Message -------- Subject: Re: Wann ist es legitim, die vier Freiheiten einzuschränken? Date: Fri, 31 Mar 2017 10:11:42 +0200 From: Uwe Altmann uwe.altmann@altsys.de To: fsfe-de@lists.fsfe.org
Hi Willi
Am 30.03.17 um 21:00 schrieb willi uebelherr:
Wenn ihr ueber lizenzen sprecht, egal jetzt welche, dann akzeptiert
ihr den allgemeinen
ausschluss im ersten schritt. Weil ohne diesem akt ist keine
selektive vergabe von
nutzungsrechten moeglich.
Dem steht das "copyleft" gegenueber. Also von vornherein oeffentlich
und frei. Ohne
einschraenkungen. Auch fuer die verwendung fuer etwas, was wir selbst
grundsaetzlich
ablehnen.
Wir koennen einen freien raum nicht durch selektion auf uns genehme
freie mitglieder oder
anwendungen erzeugen. Wenn wir wir einen freien raum erreichen
wollen, dann nur ueber die
befreiung von allen restriktionen.
Sorry, aber das ist mir zu platt.
1. Auch die GPL verbietet eine Menge Dinge wie z.B. Weitergabe der Software ohne Nennung der Lizenz. Oder die Veränderung der Lizenz. Nach Deiner Definition schränkt sie damit Deine Freiheit ein. Du merkst, wo das hinführt?
2. "Freiheit ist einzig in bestimmter Negation zu fassen, gemäß der konkreten Gestalt von Unfreiheit" (oder einfacher: Freiheit ist /nur/ da beschreibbar, wo sie eingeschränkt wird.) Hat zumindest Adorno gedacht - und der war definitiv klüger als ich es je sein werde. Soll sagen "Freiheit" oder gar "Grenzenlose Freiheit" (eigentlich ein Pleonasmus) ist nicht beschreibbar - nur Ihre Einschränkungen. Reicht auch meistens. Sinnvoller als über "befreiung von allen restriktionen" zu reden wäre, sich vielleicht zwei bis drei davon vorzunehmen - wenn die dann erledigt sind, sehen wir weiter :-)
Mit freundlichen Grüßen Uwe Altmann