Matthias Kirschner mk@fsfe.org schrieb:
- Volker Grabsch vog@notjusthosting.com [2010-03-25 19:53:12 +0100]:
Was für Probleme treten für die Gesellschaft auf, wenn ich einen Blog-Eintrag, z.B. über meine politischen Ansichten unter CC-BY-ND oder auch CC-BY-NC-SA stelle?
Ein Blog-Eintrag mit bloßer Meinungsäußerung zählt für mich nicht als aufhebenswertes Kunstwerk, und kann meinetwegen sogar "All Rights Reserved" sein.
[...] "All rights reserved" finde ich nicht gut. Dann kann ich nicht mal den Artikel ganz bei mir auf die Webseite packen oder auf Papier drucken und weiterverteilen. Ich finde mindestens das wörtliche Kopieren sollte bei allen Texten erlaubt sein.
Stimmt, daran habe ich nicht gedacht. Dann ist CC-BY-ND für reine Meinungsäußerungen und andere sehr persönliche Texte wohl ganz sinnvoll.
Dennoch wirkt CC-BY-ND vielleicht nicht so, wie man es gern hätte, siehe Punkt (3) weiter unten. Ein Jurist mag mich korrigieren, falls ich da falsch liegen sollte.
Aber ein langer, gut ausformulierter Blog-Eintrag, der fast an ein Tutorial, eine Howto oder eine journalistische Publikation herankommt
- nun, dieser sollte von anderen verwendet und weiter ausgebaut werden
können. Im einfachsten Fall zu einem Wikipedia-Artikel, im besten Fall zu einem ganzen Buch.
Willst du als Künstler, dass dein schönes Kinderlied an zwei Stellen umgeändert wird und es nachher zur Verbreitung von rechtsradikalem Meinungen dient?
Lassen wir mal die Kirche im Dorf. Diese heftige Übertreibung passt gleich an mehreren Stellen nicht:
(1)
Volksverhetzung und Fremdenhass werden bereits in anderen Gesetzen behandelt. Das ist eine völlig andere Baustelle als das Urheberrecht.
Dann denkst du dir als Autor doch auch, sollen sie wenigstens ihr eigenes Lied draus machen. (Bei Bushido haben sich ja auch einige gerade geärgert.)
Wenn menschenverachtene Töne angeschlagen werden, dann macht es in meinen Augen keinen Unterschied, ob das Lied "geklaut" oder selbst- komponiert ist.
Wer sich gegen Rechtsextremismus einsetzen möchte, sollte das nicht durch Verwendung einer CC-BY-ND-Lizenz tun. Das ist lächerlich, und schlimmstenfalls eine Ersatzhandlung für richtiges Engagement.
(2)
Das Problem mit den unerwünschten Änderungen hast du bei Software auch. Und noch schlimmer: Die meiste Software ist anpassbar! Jeder Anwender kann in seinem KDE die voreingestellten Symbole und Farben gegen irgendeinen Dreck ersetzen.
Wenn jemand bei der Software nicht erlaubt, dass ich diese verändere hat dies einen negativen Einfluss auf die Freiheit der Gesellschaft.
Würde man in der KDE-Lizenz nur noch die Verwendung der Standard- Themes erlauben, würde das ebenfalls niemanden in seiner Arbeit ernsthaft eingeschränken.
Eine Freie-Software-Lizenz wäre das aber nicht mehr. Irgendwie erwarten wir von Freier Software ein bisschen mehr - und das finde ich gut so. Es geht nicht nur um die Freiheit der "Gesellschaft", sondern auch um die individuellen Freiheiten des Einzelnen.
(3)
Ich finde es gut, wenn man Musik mixen kann und dadurch neue Dinge entstehen. Ich habe aber überhaupt kein Problem damit, wenn es manche Künstler nicht wollen. [...] ND hilft mir bei der kulturellen Vielfalt, weil sie nützlich für andere Kulturschaffende sind.
Wer aus Angst vor "Verunstaltung" sein Werk unter ND stellt, erreicht damit das genaue Gegenteil.
Mit ND bremst man nur diejenigen aus, die das Werk gerade _nicht_ verunstalten, sondern ernsthaft weiterentwickeln möchten.
Verballhornung, Karrikaturen, Parodien und Satire kann man hingegen nicht verbieten. Die sind nämlich in sehr großem Umfang erlaubt.
Pech gehabt. Wir leben nunmal in einer Gesellschaft, die ihren Bürgern künstlerische Freiheiten zugesteht, auch was die Verwendung fremder Werke angeht. Niemand ist der alleinige Herr über Variationen des "eigenen" Werkes. Und das finde ich gut so, denn _das_ fördert kulturelle Vielfalt.
Wer ein persönliches Problem damit hat, seinen Mitmenschen diese Freiheiten zuzugestehen, wer das "nicht will", dem hilft keine ND-Lizenz, sondern der muss seine Werke unter Verschluss halten.
(4)
Es bleiben also nur noch Verunstaltungen zu diskutieren, die schlimmer als (3) sind, aber nicht so extrem wie (1). Was haben wir da?
Beleidigung, Beschimpfung, Verunglimpfung, Rufmord - das steht alles sowieso unter Strafe, unabhängig vom Urheberrecht.
Eine Variation als eigenes Werk auszugeben ist ebenfalls bereits verboten, direkt im Urheberrecht.
Und eine Variation nicht als solche erkennbar zu machen, das wird vielleicht schon im Urheberrecht geregelt, steht aber auf jeden Fall in CC-BY nochmal explizit drin.
Auch hier also kein Grund für überzogene Restriktionen wie ND.
Was ich hier hinderlich finde ist, wenn die Lizenz es Nutzern verbieten will die Werke mit anderen auszutauschen. Das führt meiner Ansicht nach zu einer assozialen Gesellschaft.
Du weißt aber schon, dass du damit genau gegen NC argumentiert? ;-)
Gruß,
Volker