Hi Theo, *;
Am 13.05.20 um 14:46 schrieb Theo Schmidt:
Auch kürzlich war das RAID "schuld". Auf einem neueren Laptop liess sich
kein Linux installieren und nicht einmal das Windows löschen, weil eine interne SSD mit der Festplatte zu einem Beschleunigungs-RAID verbunden waren, mit unerwarteten Eigenschaften.
Ah, sehr schön. Ich kenn diese Konstruktion, wir hatten eine Serie von HP EliteBooks mit diesem Setup. Glücklicherweise sind die weitestgehend ausgemustert mittlerweile... ;)
...In Microsoft Azure kann ich mir performante und hochverfügbare FLOSS-Umgebungen bauen...
Vermutlich sind die Azure-Server mindestens im Land und nicht in den USA? Oder spielt das technisch fast keine Rolle mehr?
Naja, es hängt immer von den Use Cases ab, aber technisch spielt es mAn selten wirklich eine Rolle. Zwei Punkte:
- Du kannst in Modellen wie Azure (das geht auch bei AWS oder Google Cloud) *deutlich* leichter mit großer Hardware experimentieren. Storage mit extrem schnellen SSDs für I/O-intensive Anwendungen? Server mit vielviel RAM und CPUs für Last-Spitzen oder Anforderungen, die kurzzeitig oder dauerhaft viel Ressourcen benötigen? Breitere Internetanbindung, wenn mehr Nutzer auf dem System arbeiten und das Netzwerk in die Knie geht? Alles kein Problem, prinzipiell. *Sicher:* Dort brauchst Du auch bei Azure Geld, und diese Dinge sind *teuer*. Aber insbesondere für vorübergehende Anforderungen sind sie billiger, als sich vergleichbare Server selbst zu kaufen / zu finanzieren, den Prozess (Zeit, Aufwand) des Einkaufs mal gar nicht mit gerechnet. Und: Bei solchen Modellen (das kann auch unser Partner jetzt schon) kann ich allmählich skalieren, wenn ich wachse. Bei unseren eigenen HP-Systemen mit VMWare hatten wir turnusmäßig enorme "Sprung-Aufwände", weil mit dem Erreichen der Hardwaregrenzen meist notwendig waren (a) neue Server, (b) neue oder erweitere VMWare-Lizenzen und (c - im Allgemeinen schlimmster Posten) Aufwand für Migration von Daten und Maschinen. Wenn Du vier Dutzend große VMs und eine mittlere zweistellige Zahl an TB an Live-Storage auf neue Hardware migrieren willst und kaum Downtime haben darfst, ist das ein Projekt, das Dich eine ganze Weile beschäftigt. Über Vergrößerung oder Ersatz einer Internet-Standleitung mit dem Ziel schnellerer Anbindung reden wir in DE lieber gar nicht...
- Dadurch, dass die großen Anbieter international unterwegs sind, kannst Du Dinge realisieren, die Du im Selfhosting oder mit "lokalen" Partnern nicht hinbekommst. Eine unserer Schwesterfirmen sitzt in UK, sind um die 50 Leute und betreut Kunden in UK - und Hongkong. An letzterem Standort war die Anforderung, dass die Server-Infrastruktur und die Daten vor Ort zu stehen haben. In Selfhosting auch ein Großprojekt. Mit Azure haben die Kollegen (die anders als wir sehr eng an dem ganzen Microsoft-Stack hängen) faktisch die Dienste in der Admin-UI in die andere Zone "geklickt" - problem solved. In unserem Markt ist Autodesk mit einer Collaboration-Lösung (BIM Field 360) unterwegs, die vor einigen Jahren mit viel Rummel angekündigt wurde - und von vornherein als "BIM 360 powered by Amazon AWS" und dem Subtext: "*Selbstverständlich* werden wir als Autodesk für weltweit operierende Kunden *keine* eigenen Server betreiben. Das ist nicht unser Kerngeschäft und viel zu aufwändig und teuer - wir nutzen Amazon, die können das."
Persönlich bin ich nach wie vor der Freund regionaler Partner, bevorzugt solcher, die annähernd gleich groß wie die eigene Organisation sind, weil das gewisse Probleme verhindert, die man mit deutlich größeren Lieferanten durchaus haben kann. Aber in diesem ganzen Dunstkreis habe ich immer massiver die Sorge, dass der europäische IT-Sektor irgendwann gänzlich irrelevant wird - weil wir hier teilweise Firmen haben, die in 2020 immer noch mit Low-Level-Dingen wie File- oder DB-Hosting beschäftigt sind und in nahezu allen relevanten Bereichen überholt werden von (leider vorrangig aus Übersee stammenden) Startups, die auf den großen Cloud-Diensten aufsetzen und dort schnell "in die Gänge" kommen.
Um das einzufangen, braucht es nicht mehr Regularien wie die DSGVO, obwohl diese Dinge auch ihre Berechtigung haben. Hier bräuchte es vor allem eine klare Strategie, europäische Alternativen zu Azure, AWS, ... zu fördern in geeigneten organisatorischen Strukturen, aber *genau* derselben Skalierbarkeit und Reichweite. Dort könnte auch FLOSS wieder helfen - Systeme wie eben OpenStack sind zumindest Open Source und könnten hier eine solide, offene technische Grundlage bieten. Aber es braucht "Akteure" (Firmen, große Genossenschaften, .....?), die daraus ein Betriebsmodell bauen und entwickeln und das am "Markt" so weit etablieren, dass es konkurenzfähig mit Azure wird. Dort passiert aus meiner Sicht leider viel zu wenig...
Viele Grüße, Kristian