Hallo Carsten;
erst einmal die Zustimmung:
Ich bin auch der Meinung, dass jedes neue Medium, jede neue Technik, die eine Verbesserung gegenüber den Bisherigen darstellt, begrüßenswert ist. Das gilt erst recht dann, wenn sie gegenüber den Bisherigen "Alleinstellungsmerkmale" aufweist.
Ich bin auch der Meinung, dass Kommunikationstechniken auf Offenen Standards basieren und (zumindest auch) in Freier Software implementiert sein sollen (oder besser: müssen). (Ich hoffe, dass die Diskursfähigkeit mündiger, aufgeklärter Bürger der Grund dafür ist, warum wir Kindern in Schulen Lesen und Schreiben und noch einige andere Dinge beibringen.)
Nun zur (hoffentlich konstruktiven) Kritik:
Ich fürchte, dass hier wieder einmal ein soziales Problem mit technischen Mitteln "gelöst" werden soll.
Um dies an die These 1 anknüpfend zu verdeutlichen:
Es gab "textbasierte und asynchron ablaufende Diskussionen" durch Briefwechsel unter Gelehrten, die die Wissenschaft vorangebracht haben [0]. Und es gab Bürgerversammlungen, die im Geschrei und Schlimmeren endeten.
Um Aspekte des sozialen Problems zu nennen:
Es ist leider nicht mit Sicherheit erwartbar, dass ein Mensch deshalb respektiert wird, weil er ein Mensch ist (und ihm eine unantastbare Würde eigen ist). Es ist nicht selbstverständlich, dass alle anderen Attributierungen (Geschlecht, sexuelle Präferenzen, Hautfarbe, Vereinszugehörigkeit, Alter, Sozialisation, Herkunft, Prominenz etc.) Akzidentien betreffen. [1]
Manche Menschen meinen, dass sie im Recht sind und alle anderen dies einsehen müssen. Und dass eine andere Meinung schon deshalb auf Boshaftigkeit beruhen muss, weil sie ja zu den "Guten" gehören. Bei ihnen ist das Bewusstsein dafür verloren gegangen, dass auch derjenige, der eine andere Auffassung vertritt, recht haben könnte. Dieses Bewusstsein ist aber notwendige Voraussetzung für eine Diskursfähigkeit.
(Schwierig wird es, wenn beiden Seiten recht haben können: Man stelle sich eine Diskussion unter Wissenschaftlern vor, von denen einer die Auffassung vertritt, Licht sei Wellen. Der andere hält dies für falsch, weil Licht "ganz klar und experimental nachgewiesen" aus Teilchen bestehe.)
Auch ist zu bedenken, dass Menschen sich nicht deshalb an Diskussionen beteiligen, weil sie ein Problem lösen wollen. Es gibt vielmehr vielfältige andere Gründe und Motive, sich an einer Diskussion zu beteiligen.
Dass meiner Meinung nach ein Code of Conduct kein "Königsweg" zur Lösung dieser sozialen Probleme ist, dürfte bekannt sein.
Auch eine Deanonymisierung ist keine Lösung, denn leider werden Hass bis hin zu Morddrohungen auch unter "Klarnamen" verbreitet. Auch Mobbing geschieht oft ebenso so offen.
Was hilft: Respekt und Toleranz als selbstverständliche Haltung. Dies zum Allgemeingut zu machen ist aber eine Frage der (Volks-)Bildung.
Vielleicht ist es ein erster Schritt, wenn unsere Community mit gutem Beispiel vorangeht.
[0] ein Beispiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Teilungsproblem [1] s. z. B.