Hallo Erik,
[nochmal mit neuem Absender, da der erste Versuch irgendwo haengen geblieben ist] interessante Fragestellung. Unten ein paar Gedanken in Ergaenzung zu Rolands Beitrag:
Erik Albers wrote on 21.06.2018 14:33:
Eine Seite wollen wir dem Thema "Marktverzerrung/Wettbewerbsrecht" (Arbeitstitel) widmen. Es geht darum, dass als Hauptargument gegen die Veröffentlichung des Codes staatlich finanzierter Softwareentwicklung häufig von Marktverzerrung die Rede ist. Dabei wird vorgeworfen, dass private Akteure nicht mit "vom Staat kostenlosen zur Verfügung gestellter Software" konkurrieren könnten und so die Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt wird. Dagegen argumentieren wir, dass die Wettbewerbsfreiheit gestärkt wird, weil in Freier Software und Offenen Standards weniger Pfadabhängigkeiten stecken.
[...]
Nun die Fragen:
- Wie können wir die Argumentation, dass staatlich finanzierte Entwicklung
Freier Software den Wettbewerb zerstört, bestmöglich entkräften?
Zerstoert denn das staatliche Bauen von Strassen den Wettbewerb? Den Wettbewerb der "Strassenbetreiber" schon - aber dafür schafft es erst die Grundlage für den fairen und produktiven Wettbewerb von Transportunternehmen, Lieferanten, Befoederungsunternehmen - all denen, die die Strassen nutzen bis hin zu pendelnden Arbeitnehmern und nicht bloss auf dem heimischen Dorfmarkt verkaufenden Bauern.
Software koennte als die Infrastruktur der Informationsgesellschaft angesehen werden und Freie Software schafft erst den Boden fuer fairen Wettbewerb zwischen darauf basierenden Dienstleistungen (Installierung, Wartung, Customization, Verwendung zur Problemloesung, Bugfixes, Schulungen, Weiterentwicklung, Hardwareverkaeufe usw.) Dieser Wettbewerb wird zwar (zum Glueck) keine Monopole wie MSFT hervorbringen, aber viele gute mittelstaendische Arbeitsplaetze.
- Was gibt es für Argumentationsstrategien, dass Freie Software hingegen den
Wettbewerb fördert? (jenseits der üblichen nicht-Abhängigkeiten)
Freie Software macht den Netzwerk-Effekt (dem sich MSFTs, Facebooks, Googles dominate Stellung verdankt) *allen* zugänglich; statt in unproduktive Monopolgewinne (vgl die >300Mrd die MSFT, AAPL, GOOGL usw zu 0% Zinsen auf der hohen Kante haben) fuehrt das zu schnellerer Entwicklung und weniger Bugs fuer alle.
nur freie Software erlaubt das Basar-Entwicklungsmodell im groesstmoeglichen Massstab, mit dem damit einhergehenden Gewinn an effizienter Entwicklung; (vgl z.B. die Vielzahl von Hardware, auf den GNU/Linux laeuft mit der von Windows)
Freie, quelloffene Software schafft den effizientest denkbaren Markt, da alle relevanten Informationen offenliegen und in die Entwicklung, Ressourcenallokation usw. einfliessen koennen. Erfahrungen und Verbesserungen, die an einem Programm gemacht wurden, koennen schnell und unkompliziert anderswo verwendet werden (das Rad muss nicht mehrfach erfunden werden), Bugs werden schneller gefunden ("with many eyeballs, all bugs are shallow"), man unterliegt nicht dem "not invented here"-Effekt...
- Welch andere Überlegungen können in diesem Kontext eingebracht werden, um
eine tatsächliche oder gefühlte Wettbewerbsverzerrung auszubalancieren? (zb Versorgunspflicht des Staates, Kopplung öffentlicher Gelder an öffentliche Güter oder ähnliches)
ich sehe eine grosse Aehnlichkeit zwischen der Freien-Software-Welt und dem erfolgreichsten menschlichen Unternehmen ueberhaupt, naemlich der Naturwissenschaft: grob gesprochen (und etwas idealisiert) funktioniert die Wissenschaft seit der Aufklaerung nach Prinzipien, die denen der freien Software und insbesondere dem Basar-Entwicklungsmodell aehneln: Publizieren der neuen Ideen und der zugrundeliegenden Methoden wird verlangt, jeder kann die Ergebnisse dann nutzen, weiterentwickeln oder (auch zu wirtschaftlichen Zwecken) verwenden, jeder kann die "Bugs" in andere Leute "code" (papers) finden und beheben; Kritik is willkommen und ueblich, inkrementelle Verbesserung, release-early-release-often, meritokratische Orientierung (Hauptzahlungsmittel ist Anerkennung, nicht moentaere Anreize). Niemand stellt (soweit ich weiss) in Frage, dass die staatliche Forschungsfinanzierung sinnvoll ist und dass in der (trotzdem - oder meiner Meinung nach eher: gerade auch deswegen) Wissenschaft ein intensiver und produktiver Wettbewerb herrscht.
- Gibt es noch mehr Beispiele innerhalb Europas, in denen ähnlich wie in der
Schweiz entschieden wurde, dass die Veröffentlichung Freier Software eben nicht den Wettbewerb gefährde?
kein Gerichtsurteil, aber die ein Regierungsvertreter (der baskischen Regierung), der "open source" (sic, sorry) software fuer eine Schluesseltechnologie fuer sein Land haelt: https://www.librecon.io/open-technologies-are-strategic-for-the-future-of-ba...
Gruesse Geza