Am 28.03.2017 um 21:01 schrieb Wolfgang Romey:
Ich habe nicht danach gefragt, wann es ethisch ist, sondern danach, wann es legitim ist. Oder ist da kein Unterschied? Ich bitte um Erläuterung.
Du schriebst:
"Dabei ist für mich die Frage entstanden, wann es legitim ist die vier Freiheiten einzuschränken. Ob das legal ist, regelt ja die jeweilige Lizenz.
Legal ist es, Autos zu fahren, die die Umwelt extrem verschmutzen, legitim ist das für mich nicht. Genauso legal ist es, einen Smartphone-Vertrag abzuschließen, bei dem man jedes Jahr ein neues Gerät bekommt und so aktiv zur Zerstörung der Umwelt beiträgt, legitim ist auch das für mich nicht.
Legal ist es auch Software zu verkaufen, bei denen die vier Freiheiten nicht gewährt werden. Ist das auch legitim?"
Du unterscheidest also (wie wohl auch die herrschende Meinung) Legalität und Legitimität.
Wikipedia definiert:
"Legitimität (lat. legitimus, gesetzmäßig) bezeichnet in Soziologie, Politikwissenschaft und Rechtswissenschaft die Anerkennungswürdigkeit beziehungsweise Rechtmäßigkeit von Personen, Institutionen, Vorschriften etc. Ein Legitimität besitzender Sachverhalt ist legitim."
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Legitimit%C3%A4t&oldid=159482...
Danach ist Legitimität also Anerkennungswürdigkeit beziehungsweise Rechtmäßigkeit. Wenn sich die Anerkennungswürdigkeit beziehungsweise Rechtmäßigkeit nicht aus der bloßen Legalität ergibt, müssen andere Maßstäbe hierfür herangezogen werden. Dies können IMO nur ethische sein.
Wobei die Verhältnisse von Gesetz und Recht und von Recht und Ethik - besonders unter Berücksichtigung der deutschen Geschichte - hochinteressant und facettenreich sind. Hierüber sind schon ganze Bibliotheken verfasst worden, sodass ich mich außerstande sehe, sie hier auf der Mailingliste abzuhandeln.
Man kann sicherlich fragen: Gibt es berechtigte Interessen des Urhebers, hier des Programmierers oder Entwicklers, die eine proprietäre Lizenz anerkennenswert machen könnten?
Es ist evident, dass das Urheberrecht derartige Interessen schützt (ebenso wie es auch ein Copyleft schützt).
Aber überwiegen diese Interessen wirklich auch das Freiheitinteresse des Nutzers?
Wenn man hier die Antwort nicht nur im Gesetz sucht, sollte man beispielsweise auch bedenken, dass Paulus nach der in der Auslegungsgeschichte vorherrschenden Meinung im Brief an Philemon Sklaverei wohl als legitim ansah und welche Auswirkungen dies in der Geschichte hatte.
Was Geschäftsgeheimnisse angeht, gebe ich zu bedenken, dass das Patentrecht im Grundsatz ein zeitlich befristetes Monopol nur gegen eine Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses gewährt. Das Patentrecht will gerade die Offenlegung und nachfolgende Verbreitung geheimer Verfahren im Interessen des gemeinen Wohls fördern.
In Code gegossene private Geheimnisse kann ich mir nur schwer vorstellen. Welche können dies sein?
Gruß Michael