Software Patente schädigen das Europäischen Stromversorgergeschäft
6. Dezember, 2004
Sehr geehrter Herr Haider,
die Europäische Union ist dabei, eine rechtliche Basis [1] für
Softwarepatente in Europa einzuführen. Sie könnten glauben, dieses
Thema berühre Sie nicht, tatsächlich wird es jedoch
höchstwahrscheinlich zu erheblichen Sicherheitsproblemen bei Europas
Stromversorgern führen.
Die Abhängigkeit von zuverlässiger Stromversorgung und zuverlässiger
Software hat im Lauf der Jahre permanent zugenommen und nach dem
Blackout an der US-Amerikanischen Ostküste von 2003 wurde diese zum
Ziel des öffentlichen Interesses. Grosse Probleme werden oft von
kleinen Fehlern verursacht und können sich durch Netzwerkeffekte wie
ein Lauffeuer verbreiten, wobei sie großflächig Schäden verursachen.
Adilson Enio Motter, Gastwissenschaftler am Max Planck Institut für
die Physik komplexer Systeme [3] hat vor kurzem einen Vorschlag [2]
gemacht, wie dem Verbreitungsproblem begegnet werden kann -- durch das
Abschalten zentraler kritischer Verbindungsknoten.
Wenn die Softwarepatent-Direktive in der vorliegenden Form beschlossen
werden sollte, wäre es möglich, die Idee der sogenannten
Kaskadenkontrolle zum Patent anzumelden -- unabhängig davon, ob der
Patentanmelder überhaupt eine Lösung auf Basis dieser Idee vorzuweisen
hat. Jeder Dritte, der eine praktische Lösung des Problems auf Basis
dieser Idee anbieten kann benötigt die Erlaubnis des Patentinhabers --
die dieser ihm nach Belieben geben oder verweigern kann.
Es gibt viele weitere Beispiele für Ideen, die die Softwaresicherheit
Europäischer Stromversorger und Sicherheit von Software im Allgemeinen
betreffen, da die Methoden, um Computersysteme sicher zu machen,
begrenzt sind. Es ist unmöglich, Softwarepatente komplett zu
vermeiden, da Computerprogramme tausende von Ideen enthalten -- die
alle entsprechend der Direktive patentierbar sein sollen. Vermutlich
werden Sie von den spezifischen Patenten erst dann erfahren, wenn Ihre
Lösungen in den Produktionseinsatz gegangen sind und Ihre
Rechtsabteilung die Rechnung erhält.
Dieses widerspricht nicht nur dem Entwurf einer Direktive zur
Sicherheit unserer Stromversorgung, der am 22. November 2004 vom
Europäischen Rat verabschiedet wurde [4]. Auf diese Weise würden die
Stromversorger auch verwundbar gegenüber spezialisierten
Softwarepatentfirmen und Anwaltskanzleien, die ausschließlich ihren
Umsatz maximieren wollen. Das ist Europa als Region und der
Europäischen Stromwirtschaft in höchstem Maße abträglich. Deshalb
bitten wir Sie um Unterstützung in unserem Kampf gegen Softwarepatente
in Europa. Sollten Sie weitere Informationen benötigen, wenden Sie
sich bitte gerne an uns.
Mit freundlichen Grüßen
Georg Greve
Präsident
Free Software Foundation Europe (FSFE)
Referenzen
[1] http://fsfeurope.org/projects/swpat/swpat.en.html
[2] http://scitation.aip.org/getabs/servlet/GetabsServlet?prog=normal&id=PRLTAO…
[3] http://www.mpipks-dresden.mpg.de/
[4] http://www.euractiv.com/Article?tcmuri=tcm:29-131147-16&type=LinksDossier
1. FSFE in Microsoft-Prozess weiterhin unbeirrbar
2. FSFE erlangt Beobachterstatus in der WIPO
3. Ausbau der weltweiten Kooperation
4. Zwei FSFE-Mitglieder auf der SFScon
5. Andere öffentliche Auftritte
1. FSFE in Microsoft-Prozess weiterhin unbeirrbar
Microsoft hat laufend versucht, die Unterstützer der Europäischen
Kommission im Kartellverfahren durch finanzielle Angebote dazu zu
bewegen, ihre Unterstützung für die Kommission zurückzuziehen. Nach
dem Rückzug von Sun folgten nun finanzielle Zuwendungen an Novell und
die CCIA, nach denen sich diese ebenfalls dazu verpflichteten, sich
aus dem Prozess zurückzuziehen. Angesichts dieser Entwicklungen
bekräftigt die FSFE ihre Entschlossenheit, die Europäische Kommission
in diesem wichtigen Kartellprozess zu unterstützen, in dem auch schon
bald eine Entscheidung erwartet wird.
Dadurch hängt nun vieles in diesem Prozess von der Unabhängigkeit
und der Verlässlichkeit der FSFE ab, es werden sich aber auch die
personellen und finanziellen Belastungen der FSFE aus diesem Fall
erhöhen. Jeder kann mit einer Spende mithelfen, die Position der
FSFE gegenüber Microsoft zu stärken.
http://www.germany.fsfeurope.org/projects/ms-vs-eu/http://www.germany.fsfeurope.org/help/paypal.de.html
2. FSFE erlangt Beobachterstatus in der WIPO
Die Free Software Foundation Europe ist nun offiziell als Beobachter
in der "World Intellectual Property Organization" (WIPO) anerkannt,
wo sie gemeinsam mit anderen daran arbeiten wird, die Ideologie in
Frage zu stellen, dass Monopolisierung von Wissen immer gut ist. Wie
bereits im Oktober angekündigt wird die FSFE daran arbeiten, die WIPO
in Richtung einer "World Intellectual Wealth Organisation" zu bewegen.
http://www.germany.fsfeurope.org/projects/wipo/
3. Ausbau der weltweiten Kooperation
Anfang des letzten Monats hielt Georg Greve die Eröffnungsrede beim
"Congresso Internacional de Software Livre" (CONISLI) in Sao Paulo,
Brasilien. Er nützte die Gelegenheit auch, die Kommunikation mit der
vitalen Freie-Software-Community in Brasilien zu verstärken, und er
besuchte mehrere Telecentros in Sao Paulo. Die Telecentro-Bewegung
ist derzeit das größte digitale Miteinbeziehungs-Projekt der Welt und
ein gutes Beispiel dafür, wie Freie Software maßgeblich und direkt
die Macht der Bevölkerung stärken kann.
4. Zwei FSFE-Mitglieder auf der SFScon
Die LUG Bozen/Bolzano/Bulsan entschied sich dafür, ihren traditionellen
LinuxDay durch die erste South Tyrol Free Software Conference (SFScon)
zu ergänzen. Diese Veranstaltung richtete sich auch an Leute außerhalb
der üblichen Zielgruppe, wie z.B. mit einem Treffen von Wikipedia-
Autoren. Die FSFE unterstützte diese Konferenz mit drei Vorträgen:
Werner Koch sprach über "Privatsphäre und Verschlüsselungstechniken",
und Alessandro Rubini präsentierte "Freie Software im Unterricht" und
gab eine "Einführung in die Kernelprogrammierung".
5. Andere öffentliche Auftritte
Am 5. November organisierten die dortige LUG, der schwedische Linux-
Verband und die Abteilung für Computerwissenschaft und -technik der
Universität Mälardalen ein Seminar über Freie Softwae in Västerâs,
Schweden. Jonas Öberg erklärte dort in seiner Einführung die vier
Freiheiten, die Freie Software ausmachen.
Bei einer lokalen Veranstaltung in Genf am 11. November hielt
Alessandro Rubini einen Vortrag über den Entwicklungsprozess von
Freier Software. Er erklärte, dass trotz der vielen Vorteile der
Zusammenarbeit bei der Entwicklung viele Projekte nicht in der Lage
sind, eine große Community aufzubauen. Wenn die Software aber frei ist,
bleiben viele Projekte sogar noch Jahre nach einem Entwicklungsstop
verwendbar. Mehrere Schulen namen an der Veranstaltung teil, und die
Abschlussdiskussion brachte auch das Thema von Freier Software in der
Bildung und die Problematik von Softwarepatenten zur Sprache.
Sie finden eine Liste aller FSF Europe Newsletter auf
http://www.germany.fsfeurope.org/news/newsletter.de.html