Diagnosen verboten: elektronische Patientenakte krankt an der Sicherheit
"Mit den Daten von Millionen Versicherten darf nicht gespielt werden!"
Das aktuelle Konzept der elektronischen Patientenakte gefährdet die
Privatsphäre der Versicherten in Deutschland: Krankenkassen oder
Lebensversicherer könnten die Daten benutzen, um Gesundheitsrisiken aus der
Versicherung auszuschließen. Banken könnten Kreditausfallrisiken
entsprechend der Lebenserwartung der Kreditnehmer berechnen und Arbeitgeber
könnten die Einstellung von Mitarbeitern von der erblichen Disposition
abhängig machen. Das ist das Ergebnis von Untersuchungen des IT
Sicherheitsberaters Thomas Maus, die er in seinem Vortrag am 27. Dezember 2005
auf dem "22C3 Chaos Communication Congress" in Berlin vorstellt.
"Die sichererheitstechnischen Mängel scheinen so erheblich zu sein, daß
eine einfache Korrektur nicht möglich ist. Stattdessen muß ein völliger
Neuentwurf her", meint der Leiter der Deutschen Sektion der Free Software
Foundation Europe (FSFE) Bernhard Reiter und erläutert: "Hier geht es um
die Daten von Millionen Versicherten. Jedes Sicherheitsproblem
beeinträchtigt das Vertrauensverhältnis zum Arzt und kann das Leben der
Betroffenen erheblich beeinträchtigen."
Den Wert der Patientendaten schätzt Thomas Maus auf "mindestens 12
Milliarden Euro - Da halte ich es für wahrscheinlich, daß sich Einer unter
den vielen Tausend Beschäftigen des Gesundheitssystems befindet, der sich
einen einträglichen 'Nebenerwerb' verschaffen wird."
Der Berater beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema. So hatte er auf der
gleichen Veranstaltung des CCC in 2004 Schwächen eines von mehreren
Modellprojekten nachgewiesen. Derzeit legt er den Schwerpunkt seiner
Arbeit auf die datenschutztechnischen Schwächen der Gesamtarchitektur.
"Bereits damals hat man versucht, ihn mit Schadenersatzdrohungen mundtot
zu machen. Das aber ist offenbar nicht gelungen" heißt es in einer
Pressemitteilung der FSFE, "und das, obwohl sich sachkundige Mitarbeiter
des Systementwicklers seine Vorträge angehört hatten - offensichtlich
stimmen seine Analysen", so die Schlußfolgerung der FSFE.
Seine Gegner hätten daraufhin die Strategie geändert: "Wir wissen aus
internen Unterlagen des Systementwicklers, daß darüber nachgedacht wurde,
Herrn Maus wegen 'reverse engineering' zu verklagen", so FSFE Repräsentant
Reiter und interpretiert die Bedeutung des Vorgehens: "Die Systementwickler
nehmen den Datenmißbrauch wissentlich in Kauf und versuchen - mit Hilfe des
Urheberrechts - eine Überprüfung des Sicherheitskonzepts zu verhindern.
Hier wird die Gefahr deutlich, die Softwarepatente und die Verschärfung des
Urheberrechts für die Geselllschaft darstellen."
Reiters Schlußfolgerung: "Gäbe es einen gesellschaftlichen Konsens, bei
öffentlichen IT Großprojekten Freie Software einzusetzen, dann könnte Herr
Maus seine wichtige Arbeit leichter durchführen und die notwendige öffentliche
Debatte wäre unproblematischer anzustoßen."
Über die Free Software Foundation Europe
Die Free Software Foundation Europe (FSFE) ist eine gemeinnützige
regierungsunabhängige Organisation, die sich allen Aspekten der
Freien Software in Europa widmet. Zugang zu Software
entscheidet, wer wie an der digitalen Gesellschaft teilnehmen
kann. Daher erlauben die Freiheiten, Software zu verwenden, zu
kopieren, zu ändern und weiterzuverteilen, wie sie in der
Definition der Freien Software beschrieben werden, gleiche
Chancen im Informationszeitalter. Diese Problematik ins
öffentliche Bewusstsein zu rücken und durch Unterstützung der
Entwicklung Freier Software die Freiheit der Menschen zu
gewährleisten, sind die Kernanliegen der FSFE, welche im Jahr
2001 als Schwesterorganisation der amerikanischen FSF gegründet
wurde.
Weitere Informationen: http://www.germany.fsfeurope.org
--
Joachim Jakobs <jj(a)office.fsfeurope.org
Media Relations - FSF Europe (http://fsfeurope.org)
VoIP: +49 700 - FSFEUROPE, Ext.: 4004
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1. Erster österreichischer Fellowship-Stammtisch
2. Tweakfest in Zürich
3. UN World Summit on Information Society (WSIS)
4. LinuxWorld Expo in Frankfurt/Main
5. Seminar über Möglichkeiten zur Verhinderung von Softwarepatenten
6. Jornadas Regionales de Software Libre in Rosario (Argentinien)
7. LinuxDay in Italien
8. Bezüge auf Freie Software aus den "Vienna Conclusions" des WSIS entfernt
9. Begrüßung der Free Software Foundation Latin America
1. Erstes österreichisches Fellowship Treffen
Karin Kosina und Reinhard Müller organisierten den ersten
österreichischen Fellowship-Stammtisch. Dort konnten sich die Fellows
und andere an der Arbeit der FSFE interessierte Leute treffen, sich
über die FSFE informieren und Erfahrungen und Meinungen über Freie
Software austauschen. Wegen des allgemein positiven Echos der Teilnehmer
werden solche Treffen in Wien nun zweimal im Monat geplant. Aber auch
andere Mitglieder der FSFE beginnen damit, ähnliche Treffen in anderen
Städten durchzuführen. Alle Ereignisse dieser Art werden auf der
Fellowship-Website angekündigt:
http://www.fsfe.org
2. Tweakfest in Zürich
Die Akademie für Design und Kunst in Zürich war der diesjährige
Austragungsort für die zweitägige Konferenz zu digitalen Medien und
Kunst, der "Tweakfest 2005" unter dem Motto "Visions of Digital
Lifestyle". Georg Greve hielt eine Grundsatzrede über die Bedeutung
digitaler Freiheit und über die gegenwärtige Situation der Regulierung
von Wissen auf der ganzen Welt. Im Folgenden nahm er an einer
Forumsdiskussion teil, die den Titel "Copy Right" trug. In seinem Blog
schreibt er auch über die tanzenden Roboter, die ihm sehr gefielen:
http://www.fsfe.org/fellows/greve/freedom_bits/back_from_tweakfest_ch_2005
3. UN World Summit on Information Society (WSIS)
Der Weltgipfel der Vereinten Nationen zur Informationsgesellschaft
(WSIS) hat während der letzten Monate eine erhebliche Aufmerksamkeit
durch die Presse und Medien erfahren. Dies resultierte wohl
hauptsächlich aus der Diskussion innerhalb der "Working Group on Internet
Governance" (WGIG). Die FSFE hingegen ist im WSIS-Prozess bereits seit
dessen Start eingebunden, und auch wenn viel von ihrer Arbeit in den
vergangenen Jahren von der Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet blieb,
stellen sich die Mühen jetzt doch als sehr wertvoll heraus.
Im spanischen Bilbao wurde eine Versammlung von Städten und Kommunen als
Vorbereitung des WSIS in Tunis durchgeführt. Ca. 2000 Gemeindevertreter
kamen von der ganzen Welt, um daran teilzunehmen. Jonas Öberg war für
die FSFE zugegen und zeigte eine Präsentation über Gesetze, die die
Informationsfreiheit betreffen, und wie diese mit Freier Software
zusammenhängen.
Der Präsident der FSFE, Georg Greve, nahm an der zweiten Phase des
Gipfels in Tunis teil und koordinierte den Entwurf der "Patents,
Copyrights and Trademarks" (PCT) Arbeitsgruppe der Zivilgesellschaft für
die Abschlusserklärung der Zivilgesellschaft. Außerdem dokumentiert er
verschiedene interessante Projekte in seinem Blog und führte viele
interessante Diskussionen. Er nahm ebenfalls an einer Nebenveranstaltung
teil, die sich mit der zukünftigen Entwicklung der "World Intellectual
Property Organisation" (WIPO) auseinander setzte. Dieses Treffen, an dem
sich auch der stellvertretende Generaldirektor der WIPO, Philippe Petit,
beteiligte, erfuhr große Aufmerksamkeit.
http://www.fsfe.org/fellows/greve/freedom_bits/off_to_tunis
4. LinuxWorld Expo in Frankfurt/Main
Die FSFE war mit einem Stand auf der LinuxWorld Expo in Frankfurt/Main
vertreten. Dort stellten sich Volker Dormeyer, Joachim Jakobs, Myriam
Schweingruber, Michael Kallas, Bernhard Reiter, Reinhard Müller,
Cornelius Wasmund und Matthias Kirschner erfolgreich einer Vielzahl von
Fragen über Freie Software. Besonderer Dank gilt Volker, der wieder
einmal hervorragende Arbeit bei der Organisation des FSFE-Auftritts
leistete.
5. Seminar über Möglichkeiten zur Verhinderung von Softwarepatenten
Ciaran O'Riordan hielt eine Grundsatzrede und nahm zusammen mit Gareth
Bowker an einer sehr lebendigen Frage- und Antwort-Runde im Rahmen eines
Seminars teil, das O'Rioardan in Zusammenarbeit mit der Irish Free
Software Organisation arrangiert hatte. Unter den Anwesenden befanden
sich Journalisten, Entscheidungsträger, und die in Irland größte sich
für Softwarepatente einsetzende Lobbygruppe. Ein Transkript der Frage-
und-Antwort-Runde ist bereits online verfügbar; Ton- und Videoaufnahmen
folgen demnächst:
http://ifso.ie/events/2005-11-18/
6. Jornadas Regionales de Software Libre in Rosario (Argentinien)
Die "Jornadas Regionales de Software Libre" finden jeses Jahr an einem
anderen Ort in Argentinien statt. Die fünfte Ausgabe wurde durch eine
sehr engagierte Gruppe von Freie-Software-Aktivisten vorbereitet und
wurde in Rosario veranstaltet. Durch Georg Greve wurde unter dem Titel
"Digitale Freiheit - Warum sie so wichtig ist und wie man sie schützen
kann" eine Grundsatzrede gehalten. Dies gab dem Präsidenten der FSFE die
Möglichkeit, einige Zeit mit der lateinamerikanischen Freie-Software-
Gemeinschaft zu verbringen. Außerdem wurde, nachdem die meiste Zeit der
Veranstaltung auf die genaue Bewertung der Statuten und der
Kommentierung durch die Konferenzteilnehmer verwendet wurde, die
offizielle Gründung der neuen Schwesterorganisation der FSFE, der Free
Software Foundation Latin America (FSFLA) bekanntgegeben. Im Namen der
FSFE nahm Georg Greve als Gast an der offiziellen Vorstellung der FSFLA
teil und hieß sie im globalen Netzwerk der Free Software Foundations
willkommen.
7. LinuxDay in Italien
Der LinuxDay in Italien besteht aus einer Reihe von Aktionen im
Zusammenhang mit Freier Software und wird, koordiniert durch die
"Italian Linux Society", von lokalen Benutzergruppen organisiert. Dieses
Jahr beteiligte sich die FSFE zum ersten Mal auf nationaler Ebene, indem
Stefano Maffulli eine achtminütige Video-Botschaft an die Teilnehmer
sandte, in der er allen einen großartigen Tag für die italienische
Freie-Software-Gemeinschaft wünschte. Er beschrieb die Geschichte der
Freie-Software-Bewegung, die Erfolge und die künftig zu erwartenden
Herausforderungen, wie etwa die IPRED2 und der Kampf gegen das
berüchtigte "Legge Urbani".
Das leider nur auf italienisch vorhandene Video ist verfügbar unter
http://www.italy.fsfeurope.org/it/events/2005/linuxday/linuxday.en.html
8. Bezüge auf Freie Software aus den "Vienna Conclusions" der WSIS entfernt
Im Juni diesen Jahres waren die FSFE-Mitglieder Georg Greve und Karin
Kosina an der "ICT & Creativity"-Konferenz in Wien beteiligt. Am Ende
der Veranstaltung standen die "Vienna Conclusions", die sich wesentlich
von dem Text, den die Arbeitsgruppe in Wien beschloss, unterschieden. So
wurden alle Bezüge zu Freier Software entfernt, Werbung für das Digital
Restriction Management (DRM) hinzugefügt und die Feststellung der
zentralen Bedeutung von Software für die digitale Gesellschaft wurden
verwässert - offensichtlich auf Betreiben von Microsoft und IFPI.
Eine ausführlichere Zusammenfassung der gesamten Vorgänge kann in einem
Artikel von Georg Greve auf Groklaw nachgelesen werden:
http://www.groklaw.net/article.php?story=20051130185547876
9. Begrüßung der Free Software Foundation Latin America
Die Mitwirkung der FSFE an UN Organisation wie der WSIS or der WIPO hat
ihre Arbeit über die Grenzen Europas ausgedehnt. Aufgrund dieser
Erfahrungen bekennt sich die FSFE mehr als je zuvor zum Konzept eines
weltweiten Netzwerks gleichberechtigter Free Software Foundations, die
miteinander in enger Kooperation arbeiten.
Die gesamte Free Software Foundation Europe ist daher sehr stolz und
glücklich über die neue Schwesterorganisation, nicht zuletzt weil die
FSFE ihren Teil zu ihrer Entstehung beitragen konnte. Die FSFE begrüßt
die FSFLA auf das Herzlichste im Netzwerk der Free Software Foundations
und blickt positiv auf eine fruchtbare Kooperation in der Zukunft.
Eine Liste aller FSF Europe Newsletters befindet sich auf
http://www.germany.fsfeurope.org/news/newsletter.de.html