Liebe Kolleginnen, Liebe Kollegen, Sehr geehrte Damen und Herren,
im September letzten Jahres hat das Europäische Parlament bekräftigt, keine Softwarepatente in Europa zuzulassen. Keine sieben Monate später hat die Irische Ratspräsidentschaft der Europäischen Union im Frühjahr mit Unterstützung einiger Nationalregierungen (unter anderem auch der Deutschen!) und der Europäischen Kommission eine gegenteilige Beschlußvorlage für Softwarepatente eingebracht. Über diese Beschlußvorlage soll am 17. Mai 2004 abgestimmt werden. Damit werden nicht nur die Beschlüsse der legislativen ad absurdum geführt und die Demokratie mit Füßen getreten, sondern ein derartiges Gesetz würde negative Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft in erheblichem Umfang nach sich ziehen (siehe "Gemeinsame Position ..." unten).
Die Free Software Foundation Europe[1] und der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V. [2] planen derzeit eine Aktionswoche vom 10. bis 14. Mai, um Bürger, Wirtschaft und Politik über die schädlichen Folgen dieser Initiative zu informieren . Im Rahmen dieser Aktionswoche sind Demonstrationen und Podiumsdiskussionen in zahlreichen Europäischen Hauptstädten [3]. Diese Aktionen werden von einem offenen Brief an die Bürger Europas begleitet.
Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Leser über dieses Thema informieren und eine möglichst objektive Diskussion mit uns und anderen führen würden. Den Offenen Brief werden Sie Ende kommender Woche erhalten. Sollten Sie weitere Informationen von uns benötigen, zögern Sie bitte nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Jakobs
__________________________________________________ Joachim Jakobs Tel: 0179/6919565 In der Roede 24 jj@pr-profi.com 64367 Mühltal www.pr-profi.com ___________________________________________________
*Gemeinsame Position der Free Software Foundation Europe e.V. und des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V. * Softwarepatente sollen künftig nach dem Willen des EU-Ministerrats Ideen schützen. Das bedeutet, dass nicht nur Verfahren patentiert werden können, sondern auch das Ergebnis. Somit wären auch andere Lösungswege mit gleichem Ergebnis von einem derartigen Patent bedroht. Dadurch können beliebige und beliebig viele Softwareideen zu intelellektuellen Sperrgebieten erklaert werden: Dazu muss die Lösung noch nicht einmal vorliegen: Die Idee genuegt! Bereits heute fördert die Patentdiskussion seltsame Stilblueten zu tage: Der Buchhändler Amazon hat seine "1-Click-Technik", mit der registrierte Benutzer mit nur einem Mausklick eine Bestellung aufgeben koennen auch in Europa zum Patent angemeldet. Das Patent auf den "Fortschrittsbalken" von Installationsprogrammen ist bereits erteilt.
In einem Brief [4] an die EU-Kommission vom November letzten Jahres haben sich die Vorstandsvorsitzenden von Alcatel, Ericsson, Nokia und Siemens vehement für Softwarepatente ausgesprochen. So könnte man meinen, dass zumindest Grosskonzerne von Softwarepatenten profitiere könnten: Kleine Wettbewerber koennen schnell verdraengt werden und mit den anderen Grossen kann man "querlizensieren": "Wenn ich tausend von deinen Patenten nutzen darf, darfst du tausend von meinen nutzen". Dieser Eindruck ist allerdings trügerisch: Beispielsweise ist die IP-Telefonie in technischer Hinsicht ein komplexes Geflecht unterschiedlicher Kompressionsverfahren - oder besser: unterschiedlicher patententierter Ideen. In den Märkten, in denen Softwarepatente eine gesetzliche Grundlage bekommen, hat die IP-Telefonie nach Meinung von Professor Henning Schulzrinne von der US-Amerikanischen Columbia University keine Chance. Er sieht dann nur eine Möglichkeit: Etwa 17 Jahre warten, bis die Patente ausgelaufen sind [5]. Die genannten Vorstandsvorsitzenden leisten ihren eigenen Unternehmen einen Bärendienst - denn schliesslich würden Telekomausrüster ja den Löwenanteil des Umsatzes einheimsen, den die Marktforschungsgesellschaft Gartner bis 2007 auf 3,6 Milliarden Euro [6] schätzt.
Wie aber ist es möglich, dass vier Weltkonzerne eine so kurzfristige Politik betreiben? Des Rätsels Lösung ist simpel: Sie vertrauen auf die "falschen Freunde" - ihren Patentabteilungen, Patentanwälten, Patentfachleuten in Kammern und Verbänden. Allein in München gibt es 700 niedergelassene Vertreter [7] + [8] dieser Profession - kein Wunder also, dass sich die Patentanwaltkammer sich in einer 12-seitigen Stellungnahme [9] für Softwarepatente ausspricht.
Wissenschaftlich bestätigt wurden die Auswirkungen des Krebsgeschwürs "Patentunwesen" vom US-amerikanischen "Massachusetts Institute of Technology". Das hat in einer Studie im Jahr 2003 festgestellt [10], dass Unternehmen umso weniger in Forschung und Entwicklung investieren, je mehr Softwarepatente sie halten. Was passiert nun in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft insgesamt, wenn diese Entwicklungen nicht gestoppt werden? Wir verbieten den Menschen, kreativ zu sein. Wir überlassen die gesellschaftliche Entwicklung den Bürokraten, die uns auf Schritt und Tritt zu ihrem eigenen Vorteil gängeln wollen. Der Tschechische Präsident Vaclav Klaus formuliert es im Handelsblatt vom 27.4.2004 so: "Die EU besteht nicht aus Freiheit und Offenheit, sondern aus Bürokratisierung, Dirigismus, Regulierung und Harmonisierung." Wir müssen alles tun, um diesen Eindruck zu widerlegen. Wir können diese Diskussion also nicht weiterhin anderen überlassen, die nur behaupten, unsere Anliegen zu vertreten.
[1] www.fsfeurope.org [2] www.ffii.org [3] http://kwiki.ffii.org/SwpDemo0405En [4] http://swpat.ffii.org/news/03/telcos1107/index.en.html [5] http://swpat.ffii.org/patente/wirkungen/voip/index.de.html [6] http://www.computerwoche.de/index.cfm?pageid=254&artid=54004&main_id... [7] http://www.patentanwaltskammer.de/cgi-bin/find_map.cgi?key=80 [8] http://www.patentanwaltskammer.de/cgi-bin/find_map.cgi?key=81 [9] http://www.patentanwaltskammer.de/aktuell/040318_6_03_Zur_Sache_3.pdf [10] http://swpat.ffii.org/papers/bessenhunt03/index.en.html